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WSC - Stadlau



Dornbach, die Alszeile und der WSC

Schon bald nach meinem Premierenbesuch als journalistischer Groundhopper in Wien-Floridsdorf verspürte ich das Bestreben, einen weiteren Wiener Traditionsverein zu besuchen. Zwar liegen die sportlichen Glanzzeiten des Wiener Sportclub – wie er nach der endgültigen Rückführung des WSK in den WSC nun wieder genannt wird – einige Jahrzehnte zurück, doch die Schwarz-Weißen aus Dornbach überzeugen noch heute mit jeder Menge Charme und einer gewissen Individualität.

Die Ausgangslage

Glücklicherweise werden die Begegnungen der drei österreichischen Regionalligen meist freitags ausgetragen, so auch in diesem Fall. Zu Gast war der SC Stadlau, ein weiterer Hauptstadtverein, welcher mit seinem Antreten dazu beitrug, dass das Duell bedingt durch die geographische Nähe beider Vereine eine Prise Derbycharakter vorweisen konnte.

Trotz einiger namhafter Neuverpflichtungen zeichnete sich bei den heutigen Gastgebern bereits nach wenigen Spieltagen der Beginn einer wohl erneut kräfteraubenden Spielzeit ab. Der Tabellenfünfzehnte aus Hernals traf an diesem 19. August 2017 auf eine im Tabellenmittelfeld positionierte Batricevic-Truppe aus dem 22. Wiener Gemeindebezirk.

Bevor ich an diesem lauen Sommerabend den Eingang der historischen Spielstätte durchschritt, musste ich mich von dem insgesamt umfangreichen Angebot des unter der blauen Tribüne platzzierten und nur von der Straße zugänglichen Supermarktes überzeugen.

Der Sportclubplatz

Positiv hervorzuheben ist die fanfreundliche Preispolitik des Sportclubs, für nur € 4 durfte ich als noch nicht ganz Erwachsener die Haupttribüne des 1904 errichteten und somit ältesten Fußballstadions des Landes betreten. Moderne Sitzschalen sucht der nach Komfort strebende Stadionbesucher auf 3 der 4 Tribünen vergeblich. Stattdessen bieten Holzbänke und Stehplätze gemeinsam Platz für etwas weniger als 8 000 Besucher. In Dornbach passen eben selbst die Sitzgelegenheiten zu einem äußerst charmanten Fußballclub.

Lediglich der für die 3. Leistungsstufe überdimensionierte Gästesektor offeriert neben einer hervorragenden Akustik eine Bestuhlung mittels blauer Klappsesseln. Die zweite Längstribüne verfügt ausschließlich über Stehplätze, ebenso wie das lautstarke Herzstück und Alleinstellungsmerkmal des WSC, die Friedhofstribüne, welche tatsächlich nur wenige Meter von dem Gelände des nahegelegenen Friedhofes entfernt liegt. Durchschnittlich pilgern mehr als 1 000 Besucher pro Spiel in Richtung Alszeile, manche Spitzenspiele der jüngeren Vergangenheit wurden sogar vor über 7 000 Zuschauern ausgetragen.

Die Gastronomie

Aufgrund von akutem Hungergefühl entschloss ich mich – wie eingangs erwähnt – dazu, dem naheliegenden Supermarkt schon vor dem Spiel zu besuchen. Das kulinarische Angebot des Wiener Sportclubs tangierte mich an diesem Tag deshalb nur peripher. Da es aber bei weitem nicht mein erster Besuch dieser Spielstätte war, kann ich durch vorhergegangene Erfahrungen trotzdem urteilen. Preislich liegt das Angebot der Gastro-Stände ungefähr auf einem Level mit jenem des höher spielenden FAC und somit im Mittelfeld der Regionalliga Ost, qualitativ war ich stets zumindest zufriedengestellt.

Die Fanszenen

Die Friedhofstribüne gilt als Fansektor des WSC und ist wohl dem ein oder anderen Fußballfan durchaus geläufig. Allerdings unterscheidet sie sich hinsichtlich ihrer politischen Ausrichtung grundlegend von den gewöhnlichen Fankurven Österreichs. Während die überwiegende Mehrheit der Fanblocks als unpolitisch gilt, zeigen sich die FreundInnen der Friedhofstribüne bewusst als linkspolitisch. Zahlreiche Zaunfahnen, Shirts, Schlachtrufe und weitere fantechnische Aspekte untermauern diesen Umstand. Der Support ist vorwiegend durch typisch britische Aspekte inspiriert, Dauergesänge, Fahnen, Vorsängerpulte, Megaphone oder Trommeln gibt es nicht. Dafür hallen in dem Spielverlauf entsprechenden und unregelmäßigen schlichte und allseits bekannte Anfeuerungsrufe über den Platz.

Gästefans waren zunächst nicht auszumachen, allerdings fand sich mit Fortdauer des Spiels eine kleine und durchaus supportwillige Abordnung aus Stadlau auf der Haupttribüne ein. Von einer organisierten Fanszene ist der ehemals langjährige Stadtligist aber noch weit entfernt. Eine strukturiert auftretende Gästefanschar darf man in der Regionalliga sowieso nicht erwarten, nur wenige Vereine verfügen über eine tatsächliche Heimkurve, löblich ist es dennoch, wenn zumindest ein paar Personen auch ihren lokalen Fußballclub unterstützen.

Das Spiel

Die Anfangsminuten verliefen schleppend, einzig der Stadlauer Ex-Bundesligaprofi Cem Atan sorgte hin und wieder für Gefahr. Nennenswerte Torchancen waren somit Mangelware und die Begegnung ließ nur wenig Spannung aufkommen. Wie aus dem Nichts stand Sportclub-Angreifer Darijo Pecirep nach exakt 29 Spielminuten plötzlich völlig frei vor dem Gästegehäuse. Der Neuzugang lässt sich von dem herauseilenden Gästetorwart Neckam ebenso wenig beirren, wie von dessen Vorderleuten und lupft das Spielgerät wunderschön zur überraschendenden Führung in das Tor vor der Friedhofstribüne.

Dieser Treffer wirkte sich rasch positiv auf die komplette Sportclub-Mannschaft aus, in weiterer Folge vergaben König und Fila zwei Halbchancen. Spielerisch offenbarte sich kein Leckerbissen, daher war es auch nicht verwunderlich, dass der in dieser Phase überlegene WSC selten aussichtsreiche Torchancen herausarbeiten konnte. Ein vermeintliches Handspiel eines Gästespielers im eigenen Strafraum bildete den Abschluss einer spielerisch schwachen ersten Hälfte.

Nach der Pause war wiederum der SC Stadlau tonangebend und versuchte, den Rückstand so schnell wie möglich zu egalisieren. Dies gelang in Minute 54, als Swoboda eine Freistoßflanke per Kopf in das von Martin Kraus gehütete WSC-Tor bugsierte. Die Heimmannschaft konnte sich von diesem Schock nicht wirklich erholen und überlies den Gästen weiterhin die aktivere Rolle.

Kurz nachdem das Spiel endgültig abflaute und aufgrund der geringen Restspielzeit mit einem gerechten Remis zu rechnen war, zappelte das Leder erneut im Kasten der Heimischen. Swoboda verwertete eine Hereingabe von der rechten Außenbahn mit etwas Glück und brachte seinen SC Stadlau nahe an den Sieg. Die Gastgeber versuchten daraufhin den Ausgleich zu erzwingen und hatten bei einem Stangenkopfball nach einem Eckball Pech.

In der allerletzten Minute bekam der WSC nochmals einen Eckball zugesprochen. Anstatt den Ball hoch in den Strafraum zu flanken, versuchte die Mannschaft von Trainer Christoph Jank spielerisch zum Torerfolg zu kommen. Die Hereingabe misslang aber völlig, sodass Lakits mit einem Sololauf aus der eigenen Hälfte, der letztendlich erst in dem zuvor von Martin Kraus verlassenen ein Ende fand, den 1 : 3 Endstand markierte. Die unglückliche Heimniederlage der Dornbacher vor respektablen 1 500 Besuchern war somit besiegelt, die Gäste feierten ausgelassen den wichtigen Auswärtssieg.

Fazit

Kein anderer Klub verkörpert die Fehlentwicklung des milliardenschweren Fußballgeschäftes besser als der WSC. Eine leere Vereinskasse verhinderte jahrelang die dringend benötigte Sanierung der historischen Heimstätte. Erst vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass notwendige Bauarbeiten durch städtische Zuschüsse bald realisiert werden.

Wer den etwas anderen Fußball und ein spezielles Umfeld kennenlernen möchte, ist im 17. Wiener Gemeindebezirk genau richtig. Verglichen mit dem österreichischen Profibereich ist die Preisgestaltung erfreulich niedrig und der Niveauunterschied zwischen Profi- und Amateurbereich einigermaßen überschaubar. Insgesamt fällt es einem Fußballfan nicht schwer, schon vor dem Betreten des Stadiongeländes ein Willkommensgefühl zu entwickeln.

Der Wiener Sportclub ist ein überaus sympathischer Fußballverein mit äußerst engagierten Fans und bietet auf jeden Fall eine gute Abwechslung zu gewöhnlichen (Groß)Klubs. Nach all meinen bisherigen Besuchen dieser Spielstätte bin ich davon überzeugt, dass es mich noch öfter an die Alszeile verschlagen wird. Speziell das Derby of Love, Sportclub gegen Vienna, ist mehr als nur einen Besuch wert und lässt sich durch die gewöhnlich fanfreundlichen Anstoßzeiten gut mit anderen Spielen und Grounds im Großraum Wien verbinden. Ziemlich sicher werde auch ich diesem Spiel beiwohnen, höchstwahrscheinlich erneut als Hobbyjournalist.




















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