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SSV Reutlingen - FC Nöttingen



Ein Gastspiel in Reutlingen

Begünstigt durch mehrere Faktoren, entschied ich mich, Ende Oktober eine kleine Groundhopping-Tour in Deutschland abzuhalten. Mein Hauptaugenmerk fiel dabei aufgrund der strategisch günstigen Lage rasch auf Suttgart, die Hauptstadt Baden-Württembergs. Durch das Baden-Württemberg-Ticket der DB war ich glücklicherweise flexibel, sodass auch längere Anreisen in Kauf genommen werden konnten.

In den Profiligen war für Freitag, 27.10.2017 leider kein wirklich erreichbares Spiel angesetzt. So verschlug es mich einmal mehr in den Amateurbereich, genauer gesagt in die Oberliga Baden-Württemberg. Immer wieder berichteten Fanzines von der kleinen aber feinen Reutlinger-Fanszene (Szene E), an diesem Tag bot sich nun die Gelegenheit zur persönlichen Meinungsbildung.

Mit dem Regionalexpress ging es mittags von der Hotelbase in die 100 000 Einwohner Stadt Reutlingen, öffentlich benötigt man hierfür in etwa 50 Minuten. Ein Stadtspaziergang in der schönen aber unspektakulären Altstadt rundete den Trip schon vor dem Spiel ab. Gegen 18 Uhr war es an der Zeit, in Richtung Stadion aufzubrechen, diverse Navigationssysteme kalkulierten mit einer Wegzeit von 40 Minuten und diese Prognosen sollten im Endeffekt auch korrekt sein. Nach einem ungewollt langen Spaziergang - in mitten eines Wohngebiets und einer Allee – erkundigte ich zunächst die Ausmaße des Sportparks an der Kreuzeiche.

Acht Euro inkl. vorzeitiger Geburtstagsglückwünsche des Kartenverkäufers verschafften mir Zutritt zur Partie zwischen dem SSV Reutlingen und dem FC Nöttingen. Jedoch war ich durch die unübersichtliche Ticketverkaufspolitik an die Haupttribüne gebunden.

Ausgangslage

Die Oberliga Baden-Württemberg bildet eine der fünfthöchsten Spielklassen Deutschlands und beherbergt aktuell 18 Vereine. In dieser Begegnung traf der Tabellentritte aus Nöttingen auf den gebeutelten Mittelständer aus Reutlingen. Die Gäste stiegen im Sommer aus der Regionalliga ab, während die Heimmannschaft einen Mittelfeldplatz in ihrer aktuellen Liga einfahren konnte. Bekannte Gesichter waren auf dem Platz nicht auszumachen, vor allem auch bedingt durch die üblicherweise extrem ausfallende Spielerfluktuation.

Ein Sieg wäre für beide Mannschaften enorm wichtig, einerseits, um den Anschluss an die Tabellenspitze zu wahren, andererseits, um nicht tatsächlich in den Abstiegskampf hineinzurutschen.

Das Stadion an der Kreuzeiche

Schon aus der Ferne ist neben den Flutlichtmasten die markante Haupttribüne mit grüner Bestuhlung zu erkennen. Sie verfügt nicht nur über unzählige Sitzplätze (insgesamt 5 228), sondern auch über alle nötigen VIP- und Medieneinrichtungen, welche in Anbetracht der Leistungsstufe des SSV Reutlingen überdimensioniert wirken.

Vor dem Stadion treffen die Fans einander vor diversen Verkaufsständen für Flüssignahrung oder Merchandising. Das gesamte Stadionareal umfasst mehrere Trainingsplätze, welche Freitagabends stets als Übungsplatz für diverse Jugendteams im Einsatz sind.

Neben der Haupttribüne wird das Spielfeld von einem Oval aus Stehplätzen umgeben, sogar eine Anzeigetafel gibt es. Außerdem erfreut sich der SSV-Reutlingen an einer Vielzahl von Dauerkarteninhabern, die überwiegend in den Blöcken C sowie CC beheimatet sind und somit zumindest der organisierten Szene nahestehen.

Ein weiteres Highlight bildet der überaus aktive Stadionsprecher, welcher ebenso als Kabarettist arbeiten könnte. Immer wieder kommentierte er Schlüsselereignisse des Spiels, sprach zu den Spielern oder informierte 883 Besucher über deren Karriereweg.

Fanszenen

Vor Reiseantritt konnte ich einige positive Berichte über die Reutlinger-Fanszene vernehmen und diese Vorhersagen sollten mich nicht täuschen. Mehrere Minuten vor Spielbeginn begann die Szene E damit, ihre unzähligen Materialien an der Abzäunung zu befestigen. Dies ergab ein optisch einwandfreies Bild.

In etwa 100 supportwillige Reutlingen fanden sich noch vor Anpfiff auf der Haupttribüne ein und auch die Gegengerade entwickelte quasi eine zweite Kurve, die sogar durch Fahnen und Zaunfahnen erkennbar war. Der Stimmungsblock überzeugte sowohl durch eine hohe Mitmachquote als auch durch das mitgebrachte Fahnenmaterial. Zu Spielbeginn präsentierte die Szene E ein Intro, das aus dem gesamten Stoffrepertoire bestand. Die Fans pushten ihre Mannschaft über die gesamte Spieldauer hinweg durch ihren immerwährenden Einsatz. Dies schien auch dem heimischen Trainer zu gefallen, der die Kurve immer wieder animierte, lauter zu werden. Auch die Fanfreundschaft mit dem VFB Stuttgart wurde einige Male zelebriert.

Die Fangesänge sind als durchaus kreativ einzuordnen, dennoch konnte der anfangs hohe Lärmpegel nicht wirklich gehalten werden. Eine überraschende Tatsache, da die Lieder grundsätzlich kurz und einfach zu singen waren.

Die Gastmannschaft war an diesem Tag bedauerlicherweise völlig unterstützungslos angereist.

Die Gastronomie

Während vor dem Stadion ausschließlich Flüssignahrung verkauft wird, offeriert ein Kantinenteam in den Stadionkatakomben zusätzlich ein überschaubares Essensangebot, das beispielsweise eine Bratwurst mit Semmel für € 2,50 beinhaltet. Die Stadiongastronomie bietet somit insgesamt ein kleines aber ausgesprochen günstiges Verpflegungsangebot. Speisen kosten maximal € 3,50 Getränke höchsten € 3. Diese fanfreundliche Preisgestaltung sollte an dieser Stelle nochmals hervorgehoben werden.

Ein Geschmackstest blieb mir diesmal aufgrund diverser äußerer Umstände leider verwehrt. Das Gastro-Team erweckte dennoch einen motivierten Eindruck und lieferte zumindest laut des einen oder anderen Stadionbesuchers eine gute Leistung ab.

Das Spiel

Bereits nach vier Minuten hätte Nöttingen in Führung gehen müssen, der Stürmer vollbrachter allerdings das Kunststück, den Ball nach einem Gestocher aus fünf Metern ebenso viele über das Tor zu donnern. Beide Mannschaften setzten währen der gesamten 90 Minuten auf hohe Bälle, verglichen mit dem österreichischen Amateurbereich ein starker Kontrast. Nach 10 Minuten schaltete der SSV im Anschluss an einer Nöttingen-Ecke rasch um. Nach einer Flanke von der linken Außenbahn traf Andreas Maier per Volley von der Strafraumgrenze genau ins rechte untere Eck. In weiterer Folge entwickelte sich eine ereignislose Begegnung, erst in Minute 28 musst der Gästetorwart einen weiteren Flachschuss des aktiven Andreas Maier parieren.

Nach einer halben Stunde drohten sowohl die Spieler als auch die Fans auf den Tribünen langsam aber sicher einzuschlafen, so unspektakulär verlief das Spiel nun. Kurz vor dem Pausenpfiff setzten die Gäste durch eine Großchance ein Ausrufezeichen. Der Stürmer scheiterte allerdings aus guter Position an Torhüter Jurkovic.

Die zweite Spielhälfte begann mit einem kapitalen Eigenfehler der Nöttinger Abwehr, den Onesi Kuengienda eiskalt zum 2 : 0 nutzen konnte. Daraufhin erhöhten die Gäste erwartungsgemäß den Offensivdrang. Wenig später parierte der SSV-Torwart einen Drop-Kick aus größerer Distanz hervorragend.

Reutlingen blieb durch ihre starken Konterspieler stets gefährlich und spielte einige Chancen heraus. So auch in Minute 62, als Kuengienda eine schöne Hereingabe von Niang aber nicht im Tor unterbringt. Knappe zehn Minuten späte konnte der Gästetorwart erneut einen höheren Rückstand verhindern.

Eine Viertelstunde vor Schluss entschied das eher schwache Schiedsrichterteam auf Elfmeter für Nöttingen. Der Schütze scheiterte wiederholt an dem starken Schlussmann Jurkovic.

Fazit

Insgesamt wurden meine erhöhten Erwartungen an die Szene E erfüllt, akustisch und optisch verfügen die Reutlingen über Potenzial für eine höhere Leistungsstufe. Lediglich die spielerische Leistung beider Teams konnte mich nicht überzeugen. Durch unzählige hohe Bälle konnte leider kein richtiger Spielfluss entstehen.

Das Stadion an der Kreuzeiche ist darüber hinaus auch optisch absolut empfehlenswert, wenngleich es stark überdimensioniert ausfällt. Die Preispolitik des SSV Reutlingen ist als überaus fanfreundlich einzustufen und rundet somit einen gelungenen Stadionbesuch ab.

Der erste Teil meiner kleinen Deutschland-Tour ist also vorüber und wusste durchaus zu gefallen, in den nächsten Tagen werde ich weitere Vereine besuchen, darunter folgende: KSC, VFR Aalen, VFB Stuttgart. Die Berichte dazu folgen zeitnah.





















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